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.Aber halt! Da fiel mir etwas ein.Ein Frösteln lief über meinen Körper.Christinas Vater lebte gar nicht mehr.Ich hatte mit meinen eigenen Augen gesehen, wie man seinen leblosen Körper in einen Zinksarg gehoben und den Deckel darauf gesetzt hatte.Ich sah sie an.Obwohl ich die Antwort schon vorweg wusste, fragte ich: „Hat dein Vater seinen Zusammenbruch im Acueducto überlebt?“Da sagte sie regelrecht zornig: „Natürlich nicht.Das war ja auch gar nicht vorgesehen gewesen.“Sie war so laut geworden, dass ich mich um unsere Diskretion sorgte.Ängstlich sah ich mich um.Dann sprang ich auf und sagte: „Komm, Christina.Ich weiß, wo wir sehr nett essen gehen können.Da kannst du mir alles erzählen.“146/194Ich hakte sie unter und ging mit ihr Richtung Vueltas.Etwas oberhalb der Promenade, in einer Seitengasse zwischen Borbalan und Vueltas befand sich das „Habibi“, ein arabisches Restaurant mit einer hervorragenden Küche.Der Dekor war liebevoll gewählt.Kleine Tische mit marokkanis-chen Messingtabletts standen in den Nischen.Bunte Lämpchen, Wasserp-feifen und Seidenbehänge gaukelten einem vor, dass man sich in der Mitte von 1001 Nacht befände.Von irgendwo her klimperte sanfte orientalische Musik.Der freundliche Kellner wollte uns an einen Platz vorne am offenen Fenster setzten, wo man die Passanten sehen konnte und auch gesehen wurde, aber ich winkte sofort ab und wählte einen versteckten Zweiertisch tief im Innersten des Lokals.Der Kellner kniff ein Auge wissend zu.Als ob, dachte ich, aber meinetwegen, sollte er denken, was er wollte.Ein romantisches Rendezvous war das weder für mich, noch für Christina.Wir bestellten uns Humus und Falafel und warteten, bis der Kellner verschwunden war.Dann sagte Christina: „Du weißt gar nicht, wie verzweifelt der Tod meines Vaters mich gemacht hat.Es war alles so seltsam.Du musst wissen, dass die Frau, die du an dem Abend gesehen hast, meine Stiefmutter ist.Meine leibliche Mutter ist bei meiner Geburt gestorben.Ich bin erst von meiner Großmutter aufgezogen worden, später war ich auf einem Internat in der Schweiz.Mein Vater war mein Ein und Alles, und umgekehrt auch.Er hat Helga, meine Stiefmutter, vor zwei Jahren geheiratet.Sie war Stewardess, und er hat sie auf einer Flugreise kennengelernt.Ich weiß nicht, bestimmt war er einsam.Ich war meistens im Internat.Ich habe mich für ihn gefreut, echt.“Sie sah von ihrem Teller auf und nickte heftig mit dem Kopf.Anscheinend ahnte sie schon, dass jeder bei der Konstellation „Daddy's girl“ - neue, böse Stiefmutter zu den entsprechenden Schlüssen kommen könnte.„Das glaube ich dir“, sagte ich ruhig, denn kein Mensch könnte in diese blauen, leutseligen Augen schauen, und misstrauisch sein.147/194Sie sprach weiter: „Ich fand es auch total nett mit ihr.Papa war richtig glücklich, man konnte es ihm ansehen, und sie war auch echt süß zu mir, wenn ich mal nach Hamburg kam.“Ich ahnte, was als Nächstes kommen würde.Jetzt würde Christina berichten, dass ihr Vater irgendwie krank geworden sei, vermutlich Krebs.Aber nichts dergleichen.Sie sagte: „Ich fand, es passte auch alles so richtig ins Bild, als Helga meinem Papa zu seinem 70-sten Geburtstag das tolle Geschenk machte: eine Woche Gomera mit allem Drum und Dran.Ich meine: Nicht, dass Papa das sich nicht selbst hätte leisten können, aber irgendwie war die Geste so richtig toll, so nach dem Motto: 'Wir drei gehören zusammen und wir gönnen uns das.' Deshalb bin ich auch total begeistert mitgefahren.“Sie machte eine Pause und trank einen Schluck Mineralwasser.„Das Essen schmeckt voll lecker hier“, sagte sie, „wie im Acueducto.Das sollte das Geburtstagsessen sein.Ich meine – wow – es war wirklich abgefahren lecker.Aber irgendwann am Abend saß ich alleine da.Die beiden waren aufgestanden und rausgegangen.Ich bin los, um sie zu suchen, und da waren sie hoch auf diese Terrasse über dem Lokal gestiegen.Sie standen um die Ecke von dieser kleinen Kirche da.Sie konnten mich nicht sehen.Ich hörte, wie sie sich total heftig stritten.“Ich runzelte die Stirn.„Stritten? Worüber?“„Es ging um Geld.Helga meckerte rum, dass mein Papa sie zu kurz halten würde.Sie meinte, für mich könnte ihm alles nicht teuer genug sein, und sie bekäme nur ne kleine, poplige Summe als Taschengeld.Sie fände das nicht fair.“„Und was hat dein Vater dazu gesagt?“„Er meinte, dass die kleine poplige Summe doch ganz anständig sei, und dass sie als kleine Stewardess nie in ihrem Leben über so viel Geld verfügt hätte.Es ging noch eine Weile hin und her.Ich hatte genug gehört.Ich ging zurück zu unserem Tisch und wartete.Am liebsten hätte ich voll losgeheult, aber ich wollte nicht, dass die beiden merkten, dass ich gelauscht hatte.“148/194„Und dann kamen sie zurück, setzten sich wieder hin und aßen weiter“, sagte ich jetzt.Christina nickte.„Und dann.“,„Und dann“, unterbrach ich sie, „biss dein Vater in diesen merkwürdigen Mandelkeks, den es zum Mokka gab.“Christina machte ein erstauntes Gesicht und nickte.Ich fuhr fort: „Es dauerte etwa zwanzig Minuten, da kippte er von seinem Stuhl und war tot.“Christina starrte mich ungläubig an.Ihre Augen füllten sich mit Tränen.„Woher weißt du das alles so genau? Du warst doch gar nicht dabei.“„Nein, aber ich habe genau so einen plötzlichen Tod schon einmal dort gesehen.Deshalb bin ich misstrauisch geworden, als es deinem Vater auch so erging.“„Ist das der Grund, warum du mit mir an dem Abend noch sprechen wolltest?“„Ja, genau deshalb.“Christina hatte zu Ende gegessen und schob ihren Teller weg.„Möchtest du noch Nachtisch?“, fragte ich, „Es gibt hier ein fantastisches Baklawa.“Aber Christina schüttelte mit dem Kopf.„Willst du lieber ein Eis? Wir können hinüber zum Hafen schlendern und uns unterwegs eins holen.“„Okay, das wäre toll“, sagte Christina.Sie war so rührend klein und wirkte so verletzlich, dass ich unwillkürlich Vatergefühle ihr gegenüber bekam.„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte ich sie, während ich dem Kellner ein Zeichen gab.„Ich bin siebzehn, aber ich habe in zwei Wochen Geburtstag, dann bin ich volljährig.“149/194Ich rechnete schnell nach.Okay, ich wäre ein sehr junger Vater gewesen, aber im Prinzip wäre es altersmäßig möglich.Ich bezahlte die Rechnung
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